Cornelia Szelényi
Spurensuche – Spurenlese
Zyklus 1 – 25: „Überzeichnete Drucke“
Modell. Druckstock. Untersuchungsobjekt. All dies ist der knorrige, verwitterte, rissige Baumstamm, der den Ausgangs- und Mittelpunkt des Ausstellungsprojekts „Befund 2666“ des Tübinger Künstlers
Jürgen Klugmann bildet und eine bald eintausend jährige Geschichte in sich trägt. Bis in die 1980er Jahre befand er sich tief in den Sedimentschichten unter dem Boden des einstigen Korn- und
Bürgerhauses und heutigen Stadtmuseums verborgen. In Form eines dreiteiligen Zeichnungszyklus und als reales Ausstellungsobjekt kehrt er nun an seinen ursprünglichen Fundort zurück.
Mit kreativer Experimentierfreude und scheinbar wissenschaftlicher Genauigkeit hat sich Klugmann Im ersten Teil seines Zeichnungszyklus in fünfundzwanzig Blättern auf künstlerische Spurensuche
begeben, hat Kanten, Längen, Schnitte, Risse, Löcher, Höhen, Abfallwinkel und Drehungen des historischen Holzes mit dem Zeichenstift umrissen, abgenommen, ergänzt und neu zusammengefügt. Der
geschichtsträchtige Balken, der heute, nach dem dendrochronologischen Schnitt, in zwei Teilen vorliegt – einem längeren etwa 1,20 m und einem kürzeren etwa 60 cm messenden Stück – eröffnete mit
seinen glatt gesägten Schnittflächen auch drucktechnische Verwendungsmöglichkeiten. Drei der insgesamt vier Flächen hat Klugmann in seinen Arbeiten als Druckstöcke eingesetzt und dabei
variationsreich mit den Möglichkeiten des Holzstichs gespielt. Mal hell, filigran und leicht, mal dunkel, blockhaft und schwer hat er die charakteristischen Abdrucke – oder besser gesagt:
Abriebe – in die verschiedenen Blätter dieses Zyklusteils der „überzeichneten Drucke“ eingebracht. Position und Drehung der farbigen von hellem Gelb über zartes Rosa bis zu kräftigem Blau und Schwarz
changierenden Drucke variieren dabei von Blatt zu Blatt. All diesen Blättern gemeinsam ist das Zusammentreffen von Druck und Zeichnung sowie das durchgängige Format (54 x 78 cm). Zeichnungen und
Drucke hat Klugmann jeweils mit Zahlen, Termini und Vermessungslinien versehen. So entsteht auf den ersten Blick der Eindruck wissenschaftlicher Methode, detaillierter Berechnung und exakter
Überprüfbarkeit. Was zunächst wissenschaftlich klingt und wirkt, entpuppt sich jedoch bei genauerer Betrachtung als frei erfunden, als rein künstlerisch konstruierte Konzeption. „Mir geht es nicht
darum, eine Dokumentation zu erstellen, die im strengen Sinne wissenschaftlich zu nennen ist, sondern frei von diesem methodischen Korsett, den Betrachter zum Nachdenken, Entdecken und Enträtseln
anzuregen“, erklärt Klugmann.
Wissenschaftlichkeit als Methode
Der Dialog zwischen Betrachter und Kunstwerk wird in diesem ersten Teil des Zeichnungszyklus spielerisch auf unterschiedlichste Spuren wissenschaftlicher Beweisführung gelenkt, jedes Blatt für sich
ein eigenes Argument. Wie auf einer Landkarte wandert der Blick über die Blätter, erfasst Daten, Zahlen, Schemata, Diagramme und Berechnungen, die bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma genau
angegeben sind, um sich jedoch im Ergebnis einer eindeutigen Aussage zu entziehen. Rhetorisch betrachtet handelt es sich um eine Beweisführung durch Kunstfertigkeit (probationis artificialis), um
eine Form der Argumentation also, „die auf logischen Zusammenhängen, auf Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit beruh[t], entweder induktiv durch Beispiele und Indizien (exempla/signa) oder deduktiv
durch Schlussfolgerungen (argumenta)“. Die in den „überzeichneten Drucken“ mit augenscheinlich wissenschaftlichem Ernst angeführten Beispiele (exempla) und Indizien (signa) werden
durch Techniken der Verfremdung mehrfach gebrochen und ad absurdum geführt. Damit bedient sich Klugmann ähnlicher Mittel wie bereits in seinen früheren Ausstellungsprojekten beispielsweise zum Thema
Wald. In „Befund 2666“ vollzieht sich die Verfremdung des Augenscheinlichen (Evidentia) insbesondere mittels Methoden des literarischen Schreibens wie der Parodie, der Persiflage oder Travestie
und rhetorischer Mittel des Redeschmucks (ornatus) wie beispielsweise der Wortneuschöpfung (Neologismus) oder Verstellung (Ironia). Gezielt hat Klugmann hierzu auf sprachlicher Ebene
Irritationen, Störungen, Veränderungen in seine Arbeiten integriert, indem er unter dem Deckmantel scheinbar akademischer Terminologie fast unmerklich Kontextverschiebungen vorgenommen hat. Begriffe
wie „Radialschwundrissstruktur“ (S. XX), „Humussierungssporen“ (ebd.), „Flypunktfestlegung = F“ (S. XX), „Störabstand“(S. XX), oder „Raum der verlorenen Mitte“ (S. XX) für eine in das Holz
eingebrachte Lochbohrung zeugen von der freien Erfindungskraft des Künstlers, der sich seinen eigenen Bewertungskanon für die künstlerische Auseinandersetzung mit dem vorgefundenen Objekt – in
diesem Fall jenem von der archäologischen Grabung erhalten gebliebenen Balken – im freien Raum der Kunst erschafft. Dabei arbeitet Klugmann mit rätselhaft wirkenden Kürzeln und Codes wie „MO“, „MU“
(S.XX), „MUD“ (S.XX) oder „KK“, „LK“, „BES“ und „Ast“ (S. XX). Was sich hinter den jeweiligen Bezeichnungen verbirgt? „MO“ und „MU“ bezeichnen die Mittelpunkte oben und unten, „MUD“ steht für
„Mittlere untere Differenz“, während „KK“ und „LK“ für kurze und lange Kanten, „BES“ für Besonderheiten und „Ast“ schließlich für „1 Ästchen“ steht, womit einmal mehr die humorvolle Herangehensweise
an das Bildthema, die nur scheinbar exakte Nachahmung (imitatio) wissenschaftlicher Methode erkennbar wird. Auch persönliche Erfahrungen des Künstlers spielen in die kreative Auseinandersetzung mit
„Befund 2666“ hinein. So mussten die Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes während ihrer Forschungen im Kornhaus ab einer bestimmten Grabungstiefe jeden Morgen zunächst etliche Liter des über Nacht
angestiegenen Grundwassers abpumpen, bevor sie in Schnitt 12, Lage 14, dem genauen Fundort des Balkens, weiterarbeiten konnten. In Blatt Nr. 6 (siehe S. XX) hat Klugmann dieses Motiv aufgenommen.
Über einen filigran im rechten oberen Bilddrittel schwebenden, schwarzen Abdruck der unteren Fläche des kürzeren Holzes hat Klugmann mit weichem Pinselstrich in hellem Wasserblau Aquarellfarbe
aufgebracht. Eine tabellarische Struktur aus feinen Linien verläuft horizontal im Hintergrund, verbindet zwei vertikale Achsen, die in ungleichmäßigen Abständen mit Zahlen versehen sind. Darunter
sind zwei übereinanderliegende Kurvendiagramme zu sehen, deren Linien durch dickere Bleistiftpunkte verbunden sind. Die Schnittmenge zwischen diesen beiden Kurven ist vertikal schraffiert. Unter dem
Diagramm ist zu lesen: „Tübingen, Kornhaus, Grundwasserpegelstand unterhalb Befund 2666“. Doch nicht nur Erfahrungen aus der Zeit der Grabung, auch spätere Situationen, die sich während der Zeit der
Aufbewahrung des Balkens ergeben haben, nimmt der Künstler augenzwinkernd in seinen Darstellungen mit auf. So beispielsweise wenn er dem „Holz-Karton-Kontakt“ (S. XX) nachspürt und damit die
Umzugssituation des Balkens in einer Kiste lagernd zwischen Tübingen und Rom, seinem derzeitigen Aufenthaltsort, integriert. Oder wenn er als „Moderne Störung“ (S. XX) verbrämt, jene Spuren im Stamm
untersucht, die er selbst darin irgendwann im Laufe der Jahre mit der Bohrmaschine hinterlassen hat, um in diesen Löchern einen Lampenfuß zu befestigen. Fast anekdotisch mutet die
entsprechende Inschrift an: „Moderne Störung, beigebracht: ca. 1991, (…) Zweck: Lampenfuß“ (S. XX). Ebenso festgehalten sind Spuren aus jüngster Zeit, die sich während der Vorbereitung der
Ausstellung im Stadtmuseum ereignet haben, wie beispielsweise in Blatt 9 (S. XX). An zentraler Position ist darin die dunkelblaue Druckfläche des längeren Holzes eingebracht. Als abstraktes Gebilde,
teils mit großen rundbogigen, teils mit feinstrukturierten Rändern versehen, wird der Druck von einer annährend quadratischen Umrahmung eingefasst. Von allen vier Ecken des Rahmens führen teils
parallel nebeneinander gesetzte Bleistiftlinien in alle vier Richtungen zum Blattrand, dem ein gezeichneter Rahmen zum Blattinneren hin vorgelagert ist. Durch die Einzeichnung des inneren Rahmens
wird der Eindruck eines Bildes im Bild erweckt oder eines archäologischen Planes. Dieser wird durch die Hervorhebungen von etlichen mit Bleistift eingekreisten vierstelligen Ziffern noch verstärkt.
Neben diesen finden sich Bezeichnungen wie „Knochen“, Keramik oder „Holz“, wodurch der Anschein tatsächlicher Grabungsfunde auf einem archäologischen Lageplan unterstrichen wird. Über dem
dunkelblauen Holzstich in der Bildmitte, der deutliche Risse und Einkerbungen in seiner Struktur zeigt und damit die Charakteristik des hölzernen Materials aus der Dreidimensionalität des Raumes in
die Zweidimensionalität der Fläche überträgt, befinden sich zwei hohe, röhrenförmige Linien-Gebilde, die nach unten hin halbrund geöffnet sind. Es könnten Leuchtröhren, Licht- oder Abzugsschächte
sein. Und tatsächlich ließe es sich durchaus vorstellen, dass der historische Balken während der Grabungen genauso aus seiner tausendjährigen Dunkelheit ans Licht gebracht worden ist. Im gerahmten
Textblock am unteren rechten Bildrand steht: „Untersuchung der Lichtereignisse unter Bezugnahme der Umgebung“ (S. XX). Doch anders als man hieraus schließen könnte, handelt es sich nur indirekt um
den originalen archäologischen Lageplan. Er dient nur als Folie. Denn die „Lichtereignisse“, die Jürgen Klugmann auf diesem Blatt eingezeichnet hat, beziehen sich auf eine ganz reale, dem Zufall
geschuldete Situation, auf die Licht- und Schattenspiele des Weinlaubs nämlich, das sich vor seinem Südstadt-Atelier befindet, und das sich während des Zeichnens plötzlich als zwischen Hell und
Dunkel changierende Struktur tänzelnd bewegt auf dem Papier abgezeichnet hat. Diese Form der Strukturverwandlung hatte er bereits in seinen Arbeiten unter dem Titel „bauwerken“ (2009) angewandt:
„Jürgen Klugmann beobachtet wie das durch die Ordnung der Baukonstruktion wandernde Licht Schattenlinien zeichnet und vibrierende Muster formt. Durch die Projektion wird die dreidimensionale Struktur
in eine zweidimensionale Lichtzeichnung verwandelt, die aber durch die Zeit des Betrachtens wieder zu einer Raumerfahrung wird.“ Schatten- und Lichtflächen übersetzt der Künstler mit dem
Bleistift in Linien, Vergangenheit mischt er mit Gegenwart, das reale Untersuchungsobjekt verschwimmt mit Fiktion. Dabei ist es unerheblich, ob die im Bild angegebenen Schlussfolgerungen
(Conclusiones) logisch oder im Sinne der Wissenschaft messbar sind. Die Befunde dieser künstlerischen Spurensuche lauten denn auch: „Ergebnisbeeinflussend dreidimensional daher dunkel“ (S. XX).
Oder: „Es ist festzustellen, dass der Dynamikbereich um ein Vielfaches überschritten wird“ (S. XX). Durch Herstellung künstlicher Relationen und Referenzen wird ein Moment wissenschaftlicher
Autorität (auctoritas) und Genauigkeit suggeriert. Beispielhaft hierfür: Die „Ermittlung des mittleren Abfaulwinkels unter Inbezugnahme der äußeren in das Auge springenden Abfaulkanten“ (S.
XX), oder etwa ein „(a)ngenommener Verdichtungswinkel ohne Inbezugnahme der holzeigenen Verwitterung“ (S. XX). Ebenso untersucht werden „Spuren von Schleifpapier, Körnung 10 M“, „Spuren einer
Bügelsäge“ (S. XX) oder eine „Kantenzuweisung durch Eckabgleich“ (S. XX). Insbesondere bei der Untersuchung der Kanten kommt eine weitere persönliche Erfahrung des Künstlers ins Spiel: seine Zeit als
aktiver Kletterer. Begriffe wie „Vorbau“, „Überhang“ oder Kantenbeschreibungen des Holzes wie „stark ausgesetzt“ stammen aus diesem Sportlerjargon (S. XX). Neben der Verschränkung von Kunst und
Leben, Fach- und Alltagssprache, bezieht Klugmann auch eine echte Wissenschaftsdebatte in sein künstlerisches Konzept mit ein, die sich damals infolge der Ausgrabungen im Kornhaus ergeben hatte.
Debattiert wurde, ob die unter dem Boden des Kornhauses gefundene Eichenholzreihe, aus der auch der historische Balken stammt, einst zur Befestigung eines „Halbkellers“ oder eher zur
Absicherung einer von Gerbern genutzten „Kastengrube“ diente. Spuren dieser Debatte finden sich insbesondere in den Blättern 10 und 12 („Entspricht Referenzmuster [Meier-Kastengruber]“,
„Kastengrube = Eiche/ Halbkeller = Eiche“, (siehe S. XXff). Indem Klugmann die aus der Archäologie entlehnten Vermessungsmethoden in seinen „überzeichneten Drucken“ jedoch nur der Form nach imitiert,
aber damit gleichzeitig ihrer inhaltlich-wissenschaftlichen Aussagekraft entleert, lenkt er das Hauptaugenmerk des Betrachters zurück auf deren rein visuellen Gehalt, werden Linien, Flächen und
Strukturen in ihrer ästhetisch-graphischen Funktion im Rahmen dieses Zeichnungs-Zyklus wiederum in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt. Mit der Fokussierung auf zeichnerische und graphische
Strukturen knüpft Klugmann technisch an seine früheren Projekte wie den Dame Jouanne-Zyklus aus den 1990er Jahren, „Rossberg“ (2005 - 2007), „Neuschnee“ (2005 - 2007), „Schneeschmelze“ (2006/07),
„Bautagebuch“ (1999 - 2009) oder „Waldarbeiten“ (2005) an. So hat etwa Barbara Renftle zu den seit 2005 verstärkt auftauchenden Waldmotiven im Klugmanschen Werk festgestellt: „Dem
Künstler geht es nicht um die Charakteristik eines einzelnen Baumes, sondern um die vielteilige Struktur des Waldes. In der kleinteiligen Vielfalt des Waldes ruht sein graphisches Potential. (…) Für
Klugmann, diesen Meister des Details, das bei ihm zu einer filigranen Kostbarkeit wird, erweist sich der Wald zugleich als ein Kosmos des Zeichnerischen.“ Wie sehr im analytisch-sezierenden,
gleichzeitig kreativ-konstruierenden Blick des Künstlers der hier beschriebene „Kosmos des Zeichnerischen“ stellvertretend für den gesamten Wald bereits in einem einzelnen Stück Holz enthalten sein
kann, lässt sich kaum anschaulicher nachvollziehen als anhand der im Rahmen der Ausstellung „Befund 2666“ gezeigten Arbeiten.
Zyklus-Teil II: Frottage und Collage
„Ich mag es, mich den kleinen Dingen am Wegesrand mit ganzer Aufmerksamkeit zu widmen“, hat Jürgen Klugmann im Vorgespräch zu dieser Ausstellung gesagt. Und ähnlich wie bei etlichen
seiner früheren Projekte, greift er auch hier auf Vorhandenes zurück. „Wer die Arbeiten von Jürgen Klugmann kennt, der weiß, dass sein Interesse zumeist in der Natur vorgefundenen, außenweltlichen
Strukturen gilt.“ Um etwas im realen Umraum der Natur Gefundenes handelt es sich auch bei dem historischen Balken, der vor über zwanzig Jahren durch eine zufällige Begegnung im Kornhaus
in den Besitz des Künstlers gelangt ist, und der damit – ganz im Sinne der Tradition des Surrealismus – als „Objet trouvé“, als Fundstück, bezeichnet werden kann. Die eigentümliche Struktur des
Holzstücks hat Klugmann mittels der erstmals von dem surrealistischen Maler Max Ernst in den 1920er Jahren angewandten Technik der Frottage mit weichem Graphitstift in zwei großen Arbeiten direkt
aufs Papier gebracht (S. XXf). „Wie auf der Baustelle so auch im Atelier arbeitet Jürgen Klugmann mit den verschiedensten Techniken, nicht nur Malen und Zeichnen. Freudig experimentiert er mit den
Materialien auch in Collage- und Frottageverfahren (…).“ Beide Techniken verwendet Klugmann in seinen großformatigen Bildern des zweiten Zyklus-Teils. Indem er einen weißen Stoff über eine
farbige Leinwand aufzieht, bringt er die Technik der Collage ins Spiel, veranschaulicht damit auf doppelbödige- und doppeldeutige Art und Weise die Analogie von Zeit- und Bildebenen, von
Sedimentschichten in den Profilen einer Ausgrabung und den verschiedenen Schichten im Bild. Das besondere Interesse an Strukturen ist charakteristisch für Klugmanns Werk.
Zyklus-Teil III: Raum-Zeichnung
Während bei der Technik der Frottage Struktur und Form eines realen, räumlichen Gegenstands auf die zweidimensionale Ebene des Bildes übertragen werden, geht Klugmann in seinem dritten, insgesamt
fünf Zeichnungen umfassenden Zyklus-Teil, den umgekehrten Weg. Mit der Akribie einer Bauzeichnung nimmt er die Struktur der Gestelle, Verstrebungen und Halterungen der Ausstellungstafeln im ersten
Obergeschoss und im Erdgeschoss des Kornhaues auf und zeichnet damit ein aktuelles Bild, der Raumsituation im Stadtmuseum aus dem Blick des Forschenden nach. Die Veränderung der gewohnten
Perspektive, die Reduktion auf wesentliche Elemente im Raum und damit der Minimalismus des Dargestellten gehören grundlegend zu diesem Teil des Konzepts. Während Klugmann in seinen Zeichnungen
Ausschnitte reduziert, Kontexte verschiebt und Bestehendes in neuen Zusammenhängen und Blickwinkeln präsentiert, eröffnet er nicht nur die Möglichkeit zu einem neuen, intensiven Dialog mit Bau
und Geschichte des Tübinger Kornhauses, sondern fügt den einst im Lichte der wissenschaftlichen Analyse zerstörten historischen Schichten, deren struktureller Teil der mit „Befund 2666“ bezeichnete
Balken einst war, im kreativen Schöpfungsprozess an der Oberfläche ein sichtbares und heutiges Zeichen hinzu, das die Historie des Hauses im jeweils individuellen Blick des jeweiligen Betrachters in
vielgestaltiger Form in die Zukunft fortschreibt.