Konkret ins Bild gesetzt werden sollten Facetten des Wechselspiels von Vergessen und Erinnern an sich. Die Porträts zoomen individuelle Gesichtszüge aus dem Sumpf des Vergessens an die Oberfläche. Sie geben Raum, verleihen dem Einzelnen Größe und rücken die Betreffenden prominent in Erinnerung. Der klare Fokus des Zooms wird sogleich darauf jedoch wieder in den Hintergrund gedrängt – Klugmann überzieht seine Porträtzeichnungen mit verschiedenfarbigen Schichten dünner Acryllasuren. Die zuvor noch klar erkennbaren Gesichtszüge verschwinden wieder aus der Erinnerung - sie geraten in Vergessenheit.
Festgehalten wird im fertigen Porträt nun weniger die porträtierte Einzelperson als vielmehr im Umschlagpunkt vom Erinnern ins Vergessen deren exemplarisch gesetztes Schicksal. Vergessen meint in diesem Sinne nicht eine Fehlleistung dessen, der vergisst, sondern den perspektivischen Fluchtpunkt, auf den jedes Erinnerungsstreben immer schon ausgerichtet ist. Dieser Einsicht Rechnung tragend, sind die dargestellten Personen stets Erinnerte wie Vergessene gleichermaßen. Klugmanns Ahnengalerie weist damit den Wunsch des Fotografen nach bleibender Aufbewahrung des Moments letztlich als vergeblich aus. Nichtsdestotrotz wollen wir erinnern und wollen erinnert werden. Es ist die Sehnsucht nach einem zumindest bedingten Schutz vor der Vergänglichkeit.
Das Besondere an dem hier gezeigten Zyklus ist für mich, dass er uns diese Sehnsucht spüren lässt und in der Reflexion uns alle meint. Indem Klugmann seinen unbekannten Vergessenen ein Denkmal setzt und dies zugleich zur Reflexionsfigur auf das Vergessen an sich macht, lädt er ein, sich von dem Dargestellten berühren zu lassen, sich mit den Dargestellten zu identifizieren.
Ulrike Stiens, Auszug aus der Einführungsrede: "Landschaften und Vergessene"
Zu Jürgen Klugmanns Ausstellung in der Galerie Kirchner, Grünsfeld, im April 2009
Fragen anlässlich der kabinett-Ausstellung im BBKV von Dr. Günter Baumann